Ich muss zugeben, der Titel ist provokant gewählt. Leider drückt er trotz dessen das Gefühl aus, das mir seit Beginn meiner Amtszeit als Schülersprecherin fortwährend vermittelt wurde. Im Folgenden möchte ich deshalb auf die Erfahrungen eingehen, die ich als Frau in einer Führungsrolle gemacht habe. Dabei werde ich explizit bestimmte Situationen als Beispiel anführen. Auch, wenn dies angreifend wirken kann, möchte ich damit keine Einzelpersonen, sondern eher gesellschaftliche Tendenzen kritisieren.
Das doppelt besetzte Amt
Vor ungefähr einem Jahr kandidierten Jacob und ich gemeinsam als Team für das Amt der Schülersprecher. Im November wurden wir offiziell ernannt und seitdem ist nun fast ein Jahr vergangen. Damals legten wir fest, dass wir beide stets Partner auf Augenhöhe sein würden. Es würde keinen Stellvertreter geben, sondern einfach nur ein Team, das sich seine Aufgaben nach der persönlichen Befähigung des jeweils anderen teilt. Weder auf Schul-oder Fachkonferezen noch auf SV internen Treffen trat einer von beiden als höherrangier Schülersprecher auf.
Wir waren jedoch nur wenige Wochen im Amt, als diese, von uns explizit nicht angestrebte Rollenverteilung, von unserem Umfeld für uns übernommen wurde. Wurde ein Schülersprecher benötigt, so rief das Sekretariat in den vergangenen 10,5 Monaten ausschließlich Jacob aus. Auf SV-Post wurden nur Zettel mit Jacobs Namen geklebt. Wünschte Herr Bähr ein Gespräch mit dem Schülersprecher, so hieß es von Seiten des Sekretariats stets, er wolle Jacob sprechen.
Dies sind natürlich nur Kleinigkeiten, die sich aber von Monat zu Monat summierten und sich wie ein roter Faden durch unsere Amtszeit zogen. Teils bezweifelte ich, dass es wirklich allen bewusst war, dass ich ebenfalls in dieses Amt gewählt worden war. Als Schülersprecher trägt man große Verantwortung und verfügt über eine Vielzahl an unterschiedlichen Aufgaben. Einen erheblichen Teil davon organisierte ich. Ich entwarf Werbeplakate für Aktionen der SV, organisierte das Sommerfestprojekt der SV, schrieb unzählige E-Mail an potenzielle Sponsoren, plante jedes einzelne der wöchentlichen SV-Treffen, ja sogar unsere Bewerbung auf das Amt schrieb ich. Ich möchte dabei Jacobs Anteil nicht kleinreden. Er investierte viele Stunden und Nerven in die Organisation des Derbys, schlief auf Tischen in einer fremden Schule, als er am LSP teilnahm, und lief während der Projektwoche stundenlang durch die Segeberger Innenstadt, um Sponsoren anzuwerben. Doch letztendlich möchte ich verdeutlichen, dass ohne meine Arbeit in der SV vieles des letzten Jahres nicht möglich gewesen wäre. Davon, dass SV-Arbeit generell kaum wertgeschätzt und anerkannt wird, mal ganz zu schweigen. Das wurde jedoch von einer Vielzahl an Menschen übersehen.
Und was hat das mit dem Geschlecht zu tun?
Ich muss sagen, dass ich mich mit modernem Feminismus nicht identifizieren kann und mich selbst aufgrund dessen auch nicht als Feministin bezeichnen möchte. Trotz dessen prangere ich als Grund für meine negativen Erfahrungen den Alltagssexismus an. Ich glaube nicht, dass es jemand beabsichtigt hat, mich in meinem Amt nicht anzuerkennen. Vielmehr gehe ich davon aus, dass viele aufgrund des leider immer noch sehr stereotypisch geprägten Frauenbildes unsere Gesellschaft, Frauen in Führungspositionen übersehen oder nicht wahrhaben wollen. Wenn ich also irritiert feststellen muss, dass Herr Bähr bei unseren Gesprächen fast ausschließlich mit Jacob redet, ist dies die logische Konsequenz aus einem auch in ihm verankerten Frauenbild.
Ein Problem, das sich weit über unsere Schule hinaus erstreckt
Das ist ein gesamtgesellschaftliches Problem, das sich keinesfalls nur auf unsere Schule oder das Amt des Schülersprechers bezieht. Frauen in Führungsrollen werden auch in der Politik oder in Unternehmen immer wieder übergangen oder nicht anerkannt. Vielleicht auch einfach, weil man uns weniger zutraut. Weil Frauen zu häufig immer noch als übersensibel und auf Grund ihrer Hormone als nicht vollständig zurechnungsfähig angesehen werden. Und ja, vielleicht auch, weil manche Menschen uns immer noch am liebsten mit den Kindern Zuhause oder in der Küche sehen würden. Egal, ob in der Schule, in der Uni, auf der Arbeit, in einer Führungsrolle, oder wenn dein Freund dich Bekannten vorstellt und sie mit „Ach, das ist also deine Maus“ reagieren. Alltagssexismus begegnet uns überall und es wird Zeit, dass wir uns trauen, darüber zu sprechen, selbst wenn es vermeintliche Kleinigkeiten sind.
Die wütende Feministin
„Und warum beschwert sie sich erst jetzt?“, mögen sich manche nun vielleicht fragen. „Wie schlimm kann es sein, wenn ihr erst nach zehn Monaten einfällt, dass sie sich ungerecht behandelt fühlt?“
Genauso wie sich schon jetzt Menschen von diesem Artikel angegriffen fühlen werden, so fühlen sie sich erst recht bloßgestellt, wenn man sie direkt auf ihre Fehler anspricht. Innerhalb weniger Sekunden ist man als wütende Feministin abgestempelt. Man wolle sich ja nur in eine Opferrolle drängen, so wäre das ja nicht gemeint gewesen, das habe man ganz falsch verstanden und weil man so ein verstrahltes Weltbild habe, sehe man ja sowieso überall nur noch Sexismus, der gar kein Sexismus sei. Mit diesem Wissen im Hinterkopf bleibt man dann doch lieber still, auch wenn man sich der Ungerechtigkeit sehr genau bewusst ist. Mädchen werden von kleinauf dazu angehalten, stets angepasst, unauffällig und im besten Fall unkontrovers und unkompliziert zu sein. Unerheblich, ob dieses Weltbild durch Eltern oder Medien vermittelt wird. Und deshalb akzeptiert man stillschweigend das, worüber man sich später ärgert. Man will ja nicht als diejenige gelten, die immer aus einer Mücke einen Elefanten macht.
Nutzt eure Stimme!
Aber um das gewissen Publikum, das mir diese Schülerzeitung bietet, zu nutzen, möchte ich alle Mädchen und Frauen dazu aufrufen, nicht angepasst zu sein und Sexismus und Ungerechtigkeiten direkt anzuprangern, auch wenn die Kleinigkeit noch so unbedeutend sein mag. Seid kontrovers, seid wütend, ihr habt jedes Recht dazu. Nur, wenn wir endlich aufhören, wegzuschauen und Alltagssexismus zu akzeptieren, kann sich etwas ändern. Nehmt es in Kauf, dass man euch als wütende Feministen sehen wird, überzeugt mit guten Argumenten und nutzt die Stimme, die ihr habt. Denn nur dann wird es irgendwann Normalität sein, dass eine Frau genauso gut Vorstandsvorsitzende, Politikerin oder eben Schülersprecherin sein kann wie ein Mann.