Der folgende Text ist in der ersten Ausgabe der Schülerzeitung des STG im April 2014 erschienen.

Abiklausuren, mündliche Prüfungen, Abistreich, Entlassungsfeier, Abiball – und dann? Dann war auf einmal alles vorbei – und alles fängt an.

Jeder von uns wurde im Laufe des letzten Schuljahres bestimmt an die Hundertmal gefragt, was wir „denn jetzt werden wollten“, nach der Schule vorhätten, wie unsere Zukunftspläne aussähen. Einige konnten sofort selbstsicher antworten, nach dem Abi endlich mit dem Studium für den seit Kindergartenzeit angestrebten Traumberuf zu beginnen, einige hatten bereits einen Ausbildungs-platz, einige blieben bis zum Schluss ohne Plan, aber für fast die Hälfte von uns stand fest, mindestens ein Jahr lang ein Leben fern von festgelegten Lerninhalten mit unserem ganz eigenen Sinn ausprobieren zu wollen. Die Gründe dafür waren und sind so verschieden wie unsere Träume; in meinem Fall entschied vor allem das Fernweh.

Zusammen mit einer Freundin (wir wollten beide das zu Erlebende mit einem Vertrauten teilen) begann bereits in der Weihnachtszeit 2012 unser Zukunftsplanprojekt „Weltreise“. Mit dem Atlas auf den Knien und heißem Tee in den Händen entschieden und verwarfen wir Länderziele, bastelten Flugrouten und googelten Reiseagenturen. Um in Hong Kong, Australien, Neuseeland, den USA und eine zweitägigen Stoppover auf Island nicht vollständig mit dem lang Ersparten über die Runden kommen zu müssen, bemühten wir uns zudem bereits vor dem Abflug erfolgreich um bezahlte Praktika. Je näher unser neunmonatiger Abschied von Deutschland rückte, desto stärker packte uns die Vorfreude, Aufregung (auch gemischt mit einer kleinen Prise Angst vor dem Unbekannten). Gepäck wurde zum wiederholten Mal aus-, ein- und umgepackt. (Kleiner Tipp: Tendenziell wird immer zu viel mitgenommen, am wichtigsten erscheinen mir nach fast einem ganzen halben Reisejahr meine Kamera – Bilder sagen bekanntlich mehr als tausend Worte – und mein Reisetagebuch für all die Marmeladenglücksglaserinnerungen) Am 29. August war es dann endlich soweit: Unser Flieger nach Hong Kong hob ab.

Was wir alles beim Testen unserer Zukunftspläne erlebten? Die Details würden wohl mehrere Zeitungen füllen. Wir erfuhren, dass auch Hong Kong Chinesen Fans deutscher Fußballspieler sind und sich alle mit Eintritt ins Arbeitsleben englische Namen geben, erlebten die ersten Tage den berüchtigten Kulturschock (überall Lichter, Lärm und Wolkenkratzer – als bezeichnend blieb mir ein dortiges Werbeplakat mit dem Slogan „Never undervalue the space you’ve got“ in Erinnerung), lernten mit Unterstützung unserer Hong Konger Freundin Hazel die fremde Essenskultur kennen



(inklusive chicken feed und one thousand year eggs), überstanden unbeschadet unsere erste Taifunwarnung, besuchten die Kasinoinsel Macao, wanderten in grünen Wäldern, segelten auf dem südchinesischen Meer, bestaunten die ganze Pracht der nächtliche Metropole und feierten am Strand das traditionelle Moonfestival. Dazwischen standen wir in Menschenschlangen, genossen die Vorzüge des ultramodernen public transport systems und vermissten die vom Smog verdeckten Sterne.

Die Zeit flog vorüber, nach den schnellsten längsten Monaten unseres Lebens hieß es Abschied nehmen von all unseren indischen/ chinesischen/europäischen Arbeitskollegen sowie Freunden – und auf ging’s nach Down Under!

Australien – das Land des Sonnenscheins, der easy going people (Lieblingssatz: No worries, mate!), der Traumstrände, aber auch der giftigen/gefährlichen Tiere (mittlerweile können wir über diese Sorge lachen), der hohen Lebenshaltungskosten und das Ziel Millionen deutscher Backpacker.

Hier erlebten wir unser erstes Hot Christmas Fest in Melbourne, fuhren die sagenhafte Great Ocean Road entlang, sahen Minipinguine auf Philips Island an den Strand watscheln, entdeckten Tasmanien, schwitzten bei 43 Grad, feierten im Hafen Sydneys den Australia Day, liefen über die Harbour Bridge und durchs Opera House, kletterten an Wasserfällen in den Blue Mountains entlang und sonnten uns an immer neuen Stränden (die bekanntesten unter ihnen Bondi, Manly und Palm Beach). Begleitet wurden all diese wunderbaren Erlebnisse von vielen interna-tionalen Bekannt-, manchmal sogar Freundschaften.

Was wir in all dieser erlebnisreichen, zumeist wundervollen Zeit lern(t)en? Vielleicht, dass wir Erwartungen nicht immer erfüllen müssen, uns selbst, die Freundin und die Umstände des Lebens um uns herum so zu tolerieren, aber niemals unerforscht/unverstanden zu akzeptieren, Besitz nicht über-, aber wertzuschätzen (selbstverständlich lässt es sich auch mit einem Rucksack anstelle eines Kleiderschrankes überleben und trotz astronomisch hoher Lebensmittelpreise halbwegs anständig kochen, aber die Sehnsucht nach dem Luxus des Überflusses meldet sich spätestens nach dem vierten shoppingfreien Monat irgendwann einmal ;)) und sich manchmal einfach nur treiben sowie erleben zu lassen. Und jetzt?

Jetzt sitze ich hier in Byron Bay leicht sonnenverbrannt neben meiner Freundin auf der Hostelcouch, mit muskelmüden Beinen meiner ersten Surfstunde, und bin mir noch immer nicht sicher, ob wir unsere Zukunftspläne testen oder sie uns. Ich bin mir auch nicht sicher, was dieses „alles“, von dem ich am Anfang schrieb, überhaupt ist.

Aber eins weiß ich jetzt schon:

Die Zukunft ist viel schöner als geplant.
(Julia D., 2014)

Alle Fotos: Julia D. – Danke!

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