Gerard “The savior of the broken, the beaten and the damned“ Way ist höchstwahrscheinlich eine der interessantesten Figuren der modernen Popkultur, sei es durch seine Musik oder durch seine Comics. Er ist eine Ikone der modernen Punk-Musik, und seine Geschichte ist mindestens genauso interessant wie die seiner Band. Alles startete mit einer Vision..
Gerard Way wurde in den späten Siebzigern in Belleville, New Jersey als Sohn italienisch-stämmiger Eltern geboren. Er wuchs in Summit, New Jersey, auf, eine Kleinstadt, die neben Meryl Streep und Ritalin ebenfalls viel Kriminalität hervorbrachte. Way erinnerte sich im Jahr 2008 für das Rollling Stone Magazine an einen besonders prägenden Vorfall: Im Alter von 15 Jahren wurde er mit einer .357 Magnum bedroht:
“I had a gun pointed to my head and put on the floor, execution-style
Gerard Way, April 2008, Rolling Stones Magazine
(….) No matter how ugly the world gets or how stupid it shows me it is, I always have faith [in in it]“
Way war schon immer fasziniert von der menschlichen Mortalität. Nach eigenen Angaben wurde ihm diese bereits im Kindesalter bewusst, was seinen Geschmack in unkonventionellen Medien prägte; er war ein großer Fan der monatlich erscheinenden Fangoria-Hefte, mochte Horrorfilme, DnD-Kampagnen und war nach eigenen Aussagen ein Einzelgänger. Im Jahr 1993 war er anwesend im Publikum der Talkshow Sally Jesse Raphael, eine Episode, in welcher diskutiert wurde, inwiefern die Publikation von Jeffrey Dahmers Morden in Comic-Form ethisch vertretbar sei. Way hatte sogar einen Wortbeitrag in jener Episode, welcher online allerdings nicht auffindbar ist.
Nachdem er im Jahr 1995 die High-School beendete, begann Way an der School of Visual Arts in New York City zu studieren, eine prestigereiche Kunstschule, an welcher er seinen Bachlor of fine Arts absolvierte. Sein unkonventioneller Zeichenstil gab ihm viele Karrieremöglichkeiten, unter anderem bei Cartoon Network, für welche er in den frühen 2000er eine Zeichentrick-Show entwarf: Breakfast Monkey. Die Serie kam nie bis zum Pitch. Grund war, dass sich an jenem Tag in New York im Jahr 2001 eine erschütternde Tragödie ereignete.
Its not a band, its an idea– 9/11
Gerard Way befand sich gerade am Hudson River Dock, als er und circa 100 weitere Menschen beobachteten, wie die nur wenige Kilometer entfernten Twin Towers in sich zusammenstürzten und zahlreiche Menschen in den Tod rissen. Wenn man bedenkt, dass er sich gerade auf dem Weg zu dem nun zerstörten Gebäude machen wollte, versteht man seinen Gedankengang: Er wollte die Welt ändern, er wollte ihr etwas geben, etwas, wofür ihn Generationen von Menschen in Erinnerung behalten werden. Und so kam ihn die, in dem Zusammenhang vielleicht ein wenig unkonventionell klingende Idee, eine Band zu gründen. – Bereits in seiner Jugend war er in zahlreichen Bands, oftmals zusammen mit seinem jüngeren Bruder Micheal “Mikey“ Way, den er Tags drauf als Bassisten verlangte. Way schrieb am Abend des schicksalhaften Tages einen Song, der als erster My Chemical Romance Song gilt: Skylines and Turnstiles, veröffentlicht auf dem Erstlingsalbum “I brought you my love you brought me your bullets“.
Das originale Line-Up des damals noch sehr metal und punk inspirierten Albums waren Gerard Way am Mikrophon, sein Bruder Mikey am Bass, Matt Pelissier am Schlagzeug und Ray Toro als Gitarrist. Zum Zeitpunkt der Aufnahme kam noch ein weiteres Mitglied dazu, Frank Iero an der Rhythmusgitarre. Er war damals bereits ein recht bekanntes Gesicht in der New Jersey Punk-Szene und ein großer Fan der Liveshows, die Way und Co. auf die Beine stellten, und als er eines Tages zugedröhnt auf der Couch von Eyeball Records lag und gefragt wurde, ob er eventuell als zweiter Gitarrist einsteigen könne, dachte er zuerst, er sei noch im Donnie-Darko-esqen Delirium mit dämonischem Kaninchen. Dennoch stimmte er zu, und so wurde das Album, dessen Themen zwischen Tod, Hochzeiten und Harry Houdine schwanken, im Jahre 2002 veröffentlicht.
Das Album strotzte vor lauten Gitarren und schmerzverzerrten Vocals, die nicht unbedingt von dem Schmerz der Demolution Lovers stammten, sondern laut der Rock-Dokumentation Life on the murder scene von Gerard Ways Zahnschmerzen, die sogar dazu führten, dass der Release des Albums verschoben werden musste.
Das Album wurde von den damaligen Kritiken als solides Debut einer soliden Emo-Core Band gesehen. IGN bezeichnete es im Jahr 2004 als “Satanistischer Ska-Rock“, doch es war weitaus weniger als das, was die Band in ihren späteren Alben erreichen würde. Bullets, wie es von Aviden Fans genannt wird, war weitaus nicht so gut wie sein Nachfolger “Three Cheers for sweet revenge“ oder das Rock Magnum Opus “The Black Parade“. Doch die unsaubere Produktion und Screamo-Vokals machten den Reiz des Alt-Rock Albums aus. Auch damals, schon vor 20 Jahren, merkte man, was für eine Kreativität und Einzigartigkeit er innehatte -, sei es mit ausgefallen-depressiven Album-Themen oder herzzereißenden Rock-Opern.
Oh how wrong we were thinking, mortality meant never dying – Mentale Probleme, der ganz große Durchbruch und das Ende
Wenig überraschend kamen mit dem Durchbruch auch die hässlichen Seiten des Erfolges ans Licht. Dieser gelang MCR in 2004 mit Three cheers for sweet revenge, der Auftakt einer Erfolgsgeschichte. Doch die Band, beziehungsweise Gerard Way selbst hatten nie den Plan, dieses riesige Popkultur-Phänomen zu werden, und so beschrieb Way die Welle des Erfolgs als traumatisch. Er begann sich zu isolieren und sich von der Außenwelt zu distanzieren, was in Depressionen und Problemen mit Alkohol endete. Nach eigenen Angaben war er innerlich ein toter Mann, getrieben von Kokain und Alkohol. Das Touren mit einer weltbekannten Band, die Hunderte von Stadien ausfüllte, zehrte an ihm und als im Jahr 2010 auch noch eine Essstörung dazukam, war das Ende der Band schon nahe. Ihr letztes Album, Conventionel Weapons, enthielt sogar einen Song, den er seiner Tochter, die er im Jahr 2009 mit seiner Ehefrau Lindsey Way bekam, widmete, mit dem Namen “The light behind your eyes“. Der Song handelt davon, dass man, egal was passiert und egal welch furchtbare Facetten das Leben innehält, die Hoffnung, das Leuchten in den Augen, niemals verlieren sollte. Es existiert das Gerücht, dass Way den Song als eventuellen Abschied an seine damals gerade einmal 1-jährige Tochter schrieb, falls er einknicken und sich das Leben nehmen sollte.
Doch dies geschah glücklicherweise nicht, und ein Faktor, der dies sicherlich verhindert haben könnte, war My Chemical Romances Abbruch im Jahr 2013, der dramatisch mit den Worten “Alles Großartige führt zu einem Ende“ auf ihrer Webpage verkündet wurde. Die Mitglieder gingen ab diesem Zeitpunkt ihre eigenen Wege und gründeten eigene Bands, wie Frank Iero, der im Jahr 2014 mit seiner Band Frank Iero and the cellebrations das Album “Stomachaches“ veröffentlichte. Auch für Way ging es mit der Musik weiter, nun aber als Britpop inspirierter Alien mit Furry-Companion Lola auf dem Album “Hesistant Alien“. Zögernder Alien, nur teilweise ein passender Name, denn mit einer Sache zögert das ebenfalls 2014 veröffentlichte Album nicht: mit warmen Gitarrenmelodien und herzzerreißenden Texten wie auf der Single “Brother“, in welcher Way über seinen Bruder singt, der selbst an mentalen Problemen litt.
Auch mit seiner Comic Karriere ging es bergauf. Bereits im Jahr 2008 veröffentlichte Way unter dem Dark Horse Verlag den ersten Band seiner weltberühmten Comicreihe “The umbrella academy“, weitere Bände wurden zwischen 2008 und 2019 veröffentlicht. Way arbeitete weiterhin ebenfalls an Grant Morissons Doom Patrol und steuerte im Jahr 2019 ein Cover von Happy Together für die Verfilmung seiner Comicreihe bei, diesmal wieder mit Ray Toro, und später eine weitere Single namens ‚‚Here comes the end“.
Way erholte sich vom Rockstar-Dasein und zeigte sich ebenfalls immer weniger und weniger in den Medien. Auch wenn ständig gemunkelt wurde, er verneinte die Renunion seiner Band weiter, bis zum Halloween 2019, als die Band ihre Deckung aufgab und weltweit Emos etwas zu feiern gab: Die Band kam wieder zusammen und kündigte sogleich eine Welttournee an, die durch einen bestimmten asiatischen Virus zunächst verschoben werden musste.
Way inspirierte mit seiner Musik eine Generation von Misfits, die sich in seinen Texten gesehen fühlten, und sicherlich auch in Ways Person. Er identifiziert sich mit keinem bestimmten Geschlecht, war nie scheu, auf Bühne andere Männer zu küssen, sei es als politisches Statement oder aus reiner Lust, und er blieb immer sich selbst treu. Vielleicht wird die Welt eines Tages auf ihn zurückschauen und ihn als eine Art modernen David Bowie betrachten, oder einfach als eine Person, die Menschen mit einer Vorliebe für schwarzen Eyeliner und bunt gefärbten Haaren Hoffnung gab.
Quellen: Wikipedia-Gerard Way, My Chemical Romance; Kerrang!; Wikipedia- The Umbrella Academy, Genius- Diverse Song Infos –
(Way nutzt die amerikanischen He/They Pronomen, aus Einfachheit referiere ich zu ihn aber nur mit Er/ihn)