Die Wahl des US-Präsidenten im November hielt nicht nur die amerikanische Bevölkerung in Atem: Die ganze westliche Welt fieberte auf die Entscheidung zwischen der Demokratin Kamala Harris und des republikanischen Ex-Präsidenten Donald Trump hin. Als letzterer die Wahl gewann, feierten Amerikas Konservative opulent – oder belustigten sich über die Gegenseite. Kurz nach Wahltag ging ein Video des amerikanischen Politikkommentatoren und Neonazi Nick Fuentes Viral: In diesem mockiert er sich über junge Frauen, die sich um die Instandhaltung des Abtreibungsgesetzes “Roe V. Wade“, sorgen.
“Your Body my choice! There will never be a woman president!“ – scherzte Fuentes geschmacklos. Er ist der 26-jährige Host der Show America First. Fast alle seiner Social-Media Accounts sind gesperrt – bis auf sein X und Kick-Account, wo er seine Show streamt. Diese nimmt er aktuell angeblich im Keller seiner Mutter auf: Nachdem der Clip viral ging, wurde seine Adresse von einem X-User veröffentlicht.
Kingpin of the Ultranationalist Youth Movement– Nick Fuentes Weg auf die Spitze der White-Nationalists-Bewegung
Nicholas – Nick – Fuentes war, zumindest in den Vereinigten Staaten schon eine bekannte Figur in konservativen Kreisen- auch wenn er in diesen nicht sonderlich beliebt ist. Schon in seiner Schulzeit war er interessiert an Politik und hatte eine Show, die im Radio seiner Schule ausgestrahlt wurde: Damals war er Teil der Schülervertretung und vertrat moderat konservative Meinungen.
2016, als Student in der Boston-University, sprach er sich in einer Reihe von Videos für die Präsidentschaft von Donald Trump aus: Diese gingen auf dem Campus viral. Viele Schüler beschwerten sich über seine Ansichten, mokierten oder bedrohten ihn in den Kommentaren: Der damalige Vorsitzende der libertären Studentenvereinigung Young Americans for Liberty, Alec Dakin erinnert sich, wie viele “4-Channer“, ihn verteidigten – Studenten, die selbst extreme politische Meinungen vertraten.
Kurze Zeit später bekam Fuentes eine eigene Sendung auf der republikanischen Newsplattform “Right Side Broadcasting Network“, wo seine Show America first with Nick Fuentes debütierte. 2017 ging er viral, nachdem er in einem seiner Broadcast die Interpretation der Amerikansichen Verfassung kritisierte
‘‘Der erste Verfassungszusatz wurde übrigens nicht für Muslime geschrieben. Er wurde nicht für eine barbarische Ideologie geschrieben, die zu uns kommen und uns töten wollte. Er wurde für Calvinisten geschrieben. Er wurde für Lutheraner und Katholiken geschrieben, nicht für Salafisten, nicht für Wahabisten, nicht für die saudische Königsfamilie (…..). Wenn der erste Verfassungszusatz das Recht eines jeden schützen würde, seine Religion zu haben und sie in jedem Land auszudrücken, hätten wir unsere Polizei im Kongo oder in Uganda, die gegen die Lord’s Resistance Army kämpfen. Und diese Seite der Geschichte hört man nie in den Mainstream-Medien, und warum nicht? Warum hören wir nicht davon?‚‘‘
Er behauptet, der Grund für diese “Fehlinterpretation“ der Verfassung seien die Journalisten des Medienkonzerns CNN, der in seiner Berichterstattung liberal lehnt.
Wer beherrscht die Medien? Die Globalisten. Es ist Zeit, die Globalisten zu töten. Ich möchte CNN nicht nicht mehr sehen. Ich will nicht, dass CNN sein Geschäft aufgibt. Ich will nicht, dass CNN ehrlicher wird. Ich will, dass die Leute, die CNN leiten, verhaftet und deportiert oder gehängt werden, denn das ist vorsätzlich. Das ist kein Zufall. Es geht nicht darum, dass Journalisten eine liberale Einstellung haben, weil sie gebildet sind und gebildete Menschen dazu neigen- nichts davon. Es ist böswillige Absicht. Es gibt einen Plan, es gibt eine Agenda. Und die Leute, die hinter CNN stehen, verbreiten Lügen, man sieht, wie die Leute, die versuchen, die Wahrheit zu enthüllen, so offensichtlich abgeschnitten werden. Ihre Mikrofone werden abgeschaltet: „Hoppla, wir haben das Signal verloren. Technische Schwierigkeiten.“ – Nick Fuentes, 2017
Der Broadcast wurde später von RSBN entfernt, in einem Statement entschuldigte sich das Netzwerk für Fuentes Aussagen:
Schon in seinen Anfängen zeigte er sich als Reaktionär. Fuentes belustigt sich über die schockierten Reaktionen seiner Tiraden. Wie viele Extremisten nutzt er “Pausible Deniability“ – Glaubhafte Abstreitbarkeit- um sich vor ernsten Konsequenzen zu schützen. Er selbst sagte dies in einem Stream von 2022
„Aber darüber hinaus ist Ironie so wichtig, um unsere Ansichten zu decken und plausibel zu machen. (…) Ironie verwenden, wenn es um etwas wie die Revision des Holocausts geht (…) Das ist ein Thema, bei dem man nicht vom allgemeinen Konsens abweichen kann. Bei vielen dieser Themen braucht man ein bisschen Manövrierfähigkeit, die einem die Ironie gibt, „Oh, na ja“ – und was soll das heißen? „Na ja, ich war ironisch, na ja, ich habe einen Scherz gemacht, na ja, was auch immer, na ja, du verstehst den Ton nicht, na ja, du verstehst den Humor nicht.“ Ironie ist eine sehr wichtige sprachliche und rhetorische Waffe
Fuentes in einem Stream, 2022
Dinner in Mar-A-Lago mit Donald Trump
Fuentes wurde den großen Medien außerhalb der Staaten in 2020 bekannt: Für Kanye Wests Präsidentschaftscampaigne arbeitete er als Manager und wurde zwischen Januar und Februar 2020 mit 30.000$ entlohnt. West erhielt am Wahltag rund 60.000 Stimmen.
Doch Wests und Fuentes Freundschaft endete nicht nach der ersten Präsidentschaftskandidatur: In 2022 nahm West Nick Fuentes zu einem Dinner in Donald Trumps Anwesen Mar-A-Lago mit, wo sie mit dem dato Ex-Präsidenten dinierten. Laut einer Quelle des Nachrichtensenders Axios war Trump angetan von Fuentes, einem bekannten White Supremecist and Holocaust-Leugner. Als das Geschäftsdinner an die Öffentlichkeit geriet, veröffentlichte Trump auf seiner Social Media Website ‘‘Truth Social‘‘ ein Statement. Er behauptet, er habe Fuentes vor dem Essen nicht gekannt.
Trumps Treffen mit Fuentes und West wurde von allem Seiten kritisiert: Mitglieder der republikanischen Partei und ehemalige Mitglieder der Regierung äußerten sich in Tweets und zeigten sich als ‚‘‘Enttäuscht‘‘ von Trump.
Wieviel der Fuentes-Persona ist echt?
Nick Fuentes wird von Kritikern als ‚Grifter‘ betitelt; Ein Opportunist, der die rechte amerikanische Bewegung als Katapult zum Erfolg nutzt. Er widersprach sich in seinen politischen Meinungen auf abstruse Weise, als er sich für die Präsidentschaft von Kamala Harris aussprach und sie als eine ‘‘Gute Kandidatin‘‘ bezeichnete. Zugleich belustigte er sich über den Trump-Vizepräsidenten JD Vance. Vance ist mit indisch-stämmiger Anwältin Usha Vance verheiratet – was nach Fuentes Meinung nach nicht in das MAGA-Bild passe: “Who is this guy, really? Do we really expect that the guy who has an Indian wife and named their kid Vivek is going to support white identity?”. Als Vance nach seiner Meinung zu Fuentes gefragt wurde, bezeichnete er diesen als ‘‘Totalen Loser‘‘, und verteidigte seine Ehefrau.
Nick Fuentes Persona ist artikuliert und narzisstisch: Das ‚‘‘Weiße Vorrecht‘‘ an welches er glaubt, solle seiner Meinung nach nur ihm und gleichgesinnten Männern gelten. Frauen gibt es in seiner idealen Welt nicht – er selbst bezeichnet sich als ‘‘Incel‘‘, was seine Fans, ‘‘Groypers‘‘, aber als Lüge sehen, da Fuentes während seiner Highschool-Zeit eine Freundin hatte. Seine Meinung zu Beziehungen sind verquer, ob ironisch oder ernst: ‘‘Wenn wir ehrlich sind, nie mit einer Frau Sex zu haben, nie eine Freundin zu haben, macht dich mehr heterosexuell (als jemand mit einer Freundin) weil Frauen zu daten schwul ist”. Dazu kommen zahlreiche Gerüchte über die vermeintliche Homosexualität von Fuentes. Diese sind jedoch nicht belegbar.
Nachdem Fuentes Adresse veröffentlicht wurde, begannen ihn zahlreiche Aktivisten und Schaulustige zu besuchen. Im Dezember wurde er von einem 3-fachen Mörder mit einer Waffe bedroht – dieser wurde daraufhin von der Polizei erschossen. Als im November eine Frau an seiner Tür klingelte und währenddessen filmte, besprühte er sie mit Pepperspray, schubste sie die Treppe herunter und zerstörte ihr Telefon. In Bodycam- Aufnahmen der Beamten antwortete Fuentes auf die Frage, ob er ‚‘‘White Supremecist‘‘, sei mit nein: ‚‘‘Ich bin Mexikaner, mein Nachname ist Fuentes‘‘. Er berichtete, dass er sich seitdem sein ‚‘‘Your Body, My Choice‘‘, Video viral ging, oft von Anonymen im Internet bedroht werde.
Fuentes bleibt somit ein Paradox in der republikanischen Szene. Wieviele seiner Argumente wirklich teil seines Weltbildes sind und welche er für Clicks vertritt ist unklar. Sein Erfolg stellt jedoch eine Frage: Wie extrem sind die jungen Rechten in Amerika wirklich?