Der Klimawandel gehört zu den wichtigsten Themen und den brennenden Fragen unserer Zeit. Dass die Welt, in der wir in 30 Jahren leben werden, eine andere sein wird, steht außer Frage. Genauso steht außer Frage, dass wir anfangen müssen zu handeln, wenn wir den Klimawandel noch aufhalten und minimal das 2-Grad-Ziel erreichen möchten. Ebenso sehen das viele Jugendliche und junge Erwachsene, welche in den letzten Wochen und Monaten wiederholt freitags nicht zur Schule, Uni oder Arbeit gegangen sind, um für eine bessere Klimapolitik zu demonstrieren. „Schulstreik“ nennen sie dieses Fernbleiben. Ich sehe diese Bewegung sehr kritisch, obwohl ich der Forderung zustimme, dass sich in der Politik Dinge ändern müssen, damit wir den Klimawandel noch aufhalten können.
Rhetorik der Fridays for Future-Bewegung
Die erste Sache, an der ich mich sehr störe, ist die Rhetorik, welcher sich Fridays for Future bedient. Die Organisatoren der Demonstrationen rufen zu einem „Streik“ der Schüler auf. Ganz davon abgesehen, dass diese Wortwahl sachlich falsch ist, da Schüler nicht über ein Streikrecht verfügen, ist sie auch unsagbar respektlos und vermittelt ein falsches Bild von Streiks. Streiken, das tun Menschen, die zu wenig Lohn erhalten, zu viel arbeiten müssen, dies auch teilweise unter menschenunwürdigen Bedingungen. Wird dieses Wort nun als Rechtfertigung des „Schwänzens“ für eine Demonstration verwendet, so impliziert dies, die teilnehmenden Schüler hätten es nicht nötig, zur Schule zu gehen, ja als wäre die Schule vergleichbar mit den Dingen, denen zu recht streikende Arbeitnehmer ausgesetzt sind. Dies ist nicht nur respektlos gegenüber besagten Arbeitnehmern, sondern auch gegenüber Menschen, die solche Bildungschancen, wie wir sie im Westen erhalten, gar nicht haben und täglich darum kämpfen müssen, zur Schule gehen zu dürfen. Es wäre, meiner Meinung nach, also einfach ehrlicher, dieses Fernbleiben der Schule auch als das zu bezeichnen, was es letztendlich ist: Schulschwänzen für den Klimaschutz.
Regeln brechen für politische Überzeugungen
Das nächste, das ich kritisieren möchte, ist die allgemeine Vorgehensweise von Fridays for Future. Die Organisatoren rufen zum „Schulschwänzen“ auf, damit die Schüler dann in dieser Zeit an den Demonstrationen teilnehmen können. Viele Kritiker der Bewegung sind der Ansicht, es sei nicht vertretbar, wenn für Demonstrationen Unterricht ausfällt. Diese Meinung kann ich nur zum Teil unterstützen, da durch den Lehrermangel ohnehin viele Unterrichtsstunden ausfallen, sodass es auf die zwei bis vier Schulstunden, die durch die Demonstrationen ausfallen, nicht unbedingt ankommt. Des Weiteren kann jeder Teilnehmer selbst entscheiden, ob er wirklich jeden Freitag an den Demonstrationen teilnimmt oder nur einmal im Monat. Unterstützen möchte ich es jedoch trotzdem nicht, wenn Schüler wegen Fridays for Future nicht zur Schule gehen. Das Problem dabei sehe ich jedoch an anderer Stelle. Klimaschutz mag noch so ein wichtiges Thema sein, rein sachlich betrachtet, ist er aber trotzdem erst mal nur eine politische Überzeugung. In Deutschland gilt eine Schulpflicht, wer sich an diese nicht hält, um mit Fridays for Future zu demonstrieren, bricht also aktiv und bewusst Regeln für politische Überzeugungen. In diesem Verhalten sehe ich Grundzüge politischer Radikalisierung. Sicherlich verletzt in diesem speziellen Fall die Radikalisierung erst mal niemanden, trotzdem wird, insbesondere jüngeren Schülern, ein falsches Bild vermittelt: Regeln brechen, das ist okay, wenn es dabei um persönliche politische Ansichten geht.
Anhänger der Bewegung führen dabei oft als Gegenargument an, dass ohne das „Schwänzen“ niemals eine so große mediale Aufmerksamkeit erzeugt werden könne, wie sie Fridays for Future jetzt hat. Dies mag erst einmal der Wahrheit entsprechen, meiner Meinung nach sollte die Bewegung jetzt aber beginnen, langfristig zu denken und die Demonstrationen auf den Nachmittag zu verlegen, denn genug öffentliche Aufmerksamkeit hat die Bewegung nun erzielt.
Missbrauch der Bewegung
Mit dem „Schulschwänzen“ geht noch ein weiteres Problem von Fridays for Future einher: der Missbrauch der Bewegung durch Menschen, die die Demonstrationen nutzen, um unter einem Vorwand der Schule fernzubleiben. Ich kann aus eigener Erfahrung berichten, dass es Schüler gibt, die an den Demonstrationen teilnehmen, um in dieser Zeit nicht zur Schule gehen zu müssen, für Klimaschutz interessieren sie sich nicht. Als Gegenargument könnte man nun anführen, dass das „Schwänzen“ für Fridays for Future doch genauso sanktioniert werde wie „gewöhnliches Schwänzen“. Am Städtischen Gymnasium drohen Schülern, die sich an den Freitagsdemonstrationen beteiligen, Missbilligungen und unentschuldigte Fehlstunden. Viele Lehrer setzten diese Konsequenzen jedoch kaum oder gar nicht um, um Schüler zu schützen, die sich tatsächlich für mehr Klimaschutz engagieren wollen. Wie sinnvoll dies ist, sei dahin gestellt, Fakt ist jedoch, dass es denjenigen hilft, die Fridays for Future missbrauchen, um unter einem Vorwand dem Unterricht fernbleiben zu können.
Gefährliches Schwarz-Weiß-Denken
Meiner Ansicht nach gilt es des Weiteren die selbstgerechte Art und das Schwarz-Weiß-Denken einiger innerhalb der Bewegung zu kritisieren. Wir sind die Guten – Ihr die Bösen, Wir machen alles richtig – Ihr alles falsch, Wir haben Ahnung – Ihr nicht. Auch, wenn nicht abzustreiten ist, dass innerhalb der Politik im Allgemeinen und der Klimapolitik im Besonderen Dinge nicht immer richtig gemacht werden, so ist längst nicht jedes Konzept, das von Politikern für den Kampf gegen den Klimawandel ausgearbeitet wurde, völlig falsch und nutzlos. Es gibt viele Experten, die sich tagtäglich nur mit dem Thema Klimaschutz beschäftigen, ihrer Arbeit auf dieser Weise zu begegnen, halte ich für respektlos und unangemessen. Auch zeigt dieses Verhalten erneut populistische Grundzüge der Bewegung auf. Im politischen Diskurs sollte man konstruktiv aufeinander eingehen und vor allem realistische Forderungen aufstellen. Viele Anhänger der Bewegung, darunter auch die Initiatorin Greta Thunberg selbst, stellen immer wieder Forderungen auf, die politisch und realistisch schlichtweg nicht umsetzbar sind.
„Von Kindern und Jugendlichen kann man nicht erwarten, dass sie bereits alle globalen Zusammenhänge, das technisch Sinnvolle und das ökonomisch Machbare sehen.“
– Christian Lindner in der „Bild am Sonntag“, 10.03.2019
Für obiges Zitat wurde Christian Lindern wiederholt angegriffen und kritisiert, ich möchte seine Aussage dennoch verteidigen. Es ist natürlich nicht falsch, sich für Themen, die man für wichtig hält, einzusetzen und Vorschläge zu machen. Der Klimawandel ist jedoch ein hochkomplexes Thema und auch, wenn manche Lösungsansätze auf den ersten Blick sinnvoll erscheinen, so sind die meisten Kinder und Jugendlichen einfach nicht in der Lage, sie in allen notwendigen Dimensionen zu betrachten. Ich halte es zwar für richtig, ein schnelleres Handeln der Politik zu fordern, die Details sind jedoch oft so komplex, dass sie leicht in unrealistischen Forderungen enden.
Engagement? Ja! Fridays for Future? Bitte nicht.
Schlussendlich möchte ich noch einmal betonen, wie wichtig ich politisches Engagement finde. Eine Meinung zu haben und genauso sehr andere Meinungen zu respektieren, ist in einer Demokratie das höchste Gut. Ich setzte mich ausdrücklich für Engagement, insbesondere das Jugendlicher, und einen konstruktiven politischen Diskurs ein. Mich, die ich selbst noch jugendlich bin, macht es zudem stolz, dass meine Generation, die gemeinhin als sehr politikverdrossen gilt, sich für so wichtige Themen wie den Klimaschutz einsetzt. Ich kann auch verstehen, dass Organisationen wie Fridays for Future es leichter machen, sich mit anderen zu vernetzen und sich zu engagieren. Das Vorgehen, das die Organisation selbst und einige ihrer Mitglieder dabei an den Tag legen, halte ich jedoch in vielerlei Hinsicht für absolut unangebracht bis hin zu gefährlich. Deshalb möchte ich aus gegebenem Anlass noch einmal dazu aufzurufen, sich über das Vorgehen von Fridays for Future zu informieren und sich kritisch und differenziert damit auseinanderzusetzen. Ob man danach immer noch Teil dieser Bewegung sein möchte, sollte aber natürlich jeder für sich selbst entscheiden.
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