Seit 2018 ist der Reformationstag ein gesetzlicher Feiertag in Schleswig-Holstein und einigen anderen norddeutschen Bundesländern. Dabei steht vor allem der Reformator höchst selbst, Martin Luther, im Zentrum der Feierlichkeiten. Doch auch abseits des 31. Oktobers wird Luther als Kämpfer gegen den Ablasshandel und Übersetzer der Bibel gefeiert. Kaum berichtet wird hingegen über seine Forderung, Synagogen niederzubrennen oder über seine 1543 veröffentlichte Schrift „Von den Juden und ihren Lügen“. Wer sich weitergehend über den Reformator informiert, dem wird schnell klar: Martin Luther war ein Antijudaist, wenn nicht sogar ein Antisemit, und ihn allein auf seine Errungenschaften gegenüber der römisch-katholischen Kirche zu reduzieren, ist gefährlich.

Wie manifestierte Luther seinen Judenhass?

Martin Luther befasste sich sowohl in Gesprächen und Briefen als auch in Schriften wiederholt mit den Juden. 1523 ging er selbst noch davon aus, Juden könnten zum Christentum bekehrt werden und Jesus als Messias anerkennen. Als dies jedoch nicht eintrat, änderte sich Luthers Haltung zu blanker Ablehnung gegenüber Menschen jüdischen Glaubens. Seine Forderungen beinhalteten die wirtschaftliche Entrechtung der Juden sowie diesen die Ausübung ihrer Religion zu verbieten. Auch für die Vertreibung der Juden setzte er sich immer wieder ein.

Rechtfertigungsversuche

Bis heute fällt es der protestantischen Kirche und ihren Anhängern schwer, diese Seite Luthers und der Reformation anzuerkennen und aufzuarbeiten. Oft wird auf judenfreundliche Äußerungen in seinen früheren Schriften verwiesen, in denen Luther auch für einen brüderlichen Umgang mit den Juden eintrat. Dies heißt jedoch keineswegs, dass Luther in dieser Phase seines Lebens ein Freund der Juden war. Judenfreundliche Aussagen tätigte er nur unter dem Vorbehalt, dass diese im Zuge der Reformation zum Christentum konvertieren. Er erkannte den jüdischen Glauben und seine Anhänger also nicht als gleichwertig an, sondern sah viel mehr potentielle Christen in ihnen, denen er jedoch blanken Hass entgegen brachte, als diese nicht zum Christentum übertraten.

Auch die Tatsache, dass zu Luthers Lebzeiten viele Menschen antijudaistisches und antisemitisches Gedankengut verbreiteten, relativiert seine Forderungen nicht und entschuldigt auch nicht seine unkritische Überhöhung zu einer evangelischen Lichtgestalt. Luthers Hetze war von unverhältnismäßiger Natur und es gab durchaus Menschen, die seine Ansichten in dieser Form nicht teilten und mäßigend auftraten.

War Luther ein Antisemit?

Die offizielle Meinung der EKD ist, dass Luther nur ein christlich-theologisch motivierter Antijudaist gewesen sei und seine Ansichten nicht mit modernen Antisemitismus zu vergleichen seien. Zwar war Luther die Einordnung der Juden als eine bestimmte Rasse eher fremd, seine Forderungen nach Zerstörung von Synagogen, jüdischen Wohnhäusern und Schulen, einem Verbot jüdischer Gottesdienste, Arbeitszwang für Juden bis hin zur Vertreibung von jüdischen Gemeinden erinnern jedoch stark an den Antisemitismus, der auch während der Zeit des Nationalsozialismus omnipräsent war. Aus diesem Grund sind auch viele Historiker der Meinung, dass Luthers Judenhass über den traditionellen christlichen Antijudaismus hinausging.

Held des nationalsozialistischen Deutschlands

Dass uns Luthers Forderung aus der Zeit von 1933 bis 1945 bekannt vorkommen, ist kein Zufall. Antisemiten in Staat, aber auch in Kirche, beriefen sich bevorzugt auf Luther und seine judenfeindlichen Schriften. Darüber hinaus galt Luther als Urbild des kämpferischen deutschen Mannes, nicht selten wurden von Protestanten selbst Verbindungen zu Hitler gezogen. Natürlich darf Luther aus diesen Gründen keine Alleinschuld an den Taten der Nationalsozialisten oder dem Holocaust zugesprochen werden, seine Hetzschriften und antijüdischen Forderungen wirkten viel mehr als „Brandbeschleuniger für einen ohnehin schon fortgeschrittenen Flächenbrand“, so Manfred Gailus, ein deutscher Historiker.

Luthers Judenhass wird zu selten thematisiert

Die evangelische Kirche tritt mit dem Reformationstag ohne Frage ein schweres Erbe an. Luthers Verdienste können unmöglich von seiner antijüdischen Haltung getrennt werden und wir können nicht über die Reformation sprechen und dabei die anderen Schriften Luthers unerwähnt lassen. Des Weiteren ist die Relativierung Luthers Hass gegenüber Juden gefährlich. In Anbetracht der Anschläge von Halle, müssen wir umso mehr über das Judentum in Deutschland sprechen und endlich anfangen, Antisemitismus beim Namen zu nennen, auch wenn viele Protestanten ihre Feierlichkeiten nicht getrübt sehen möchten. Deutschland ist, was die Aufarbeitung seiner judenfeindlichen und nationalsozialistischen Vergangenheit betrifft, ein großes Vorbild. Wenn wir jedoch nicht anfangen, auch diejenigen für ihren Judenhass zu kritisieren, die ansonsten Gutes getan haben und die wir viel lieber als heldenhafte Begründer unserer Religion betrachten möchten, können wir niemals von einer vollständigen Aufarbeitung der NS-Zeit sprechen.

Reformationstag – ein Grund zum Feiern?

Hat der Reformationstag angesichts dieser dunklen Seite seiner Schlüsselfigur seine Berechtigung? Auch wenn diese Thematik durchaus ambivalent ist, so bleibt am 31. Oktober doch immer der bittere Beigeschmack des Judenhassers Luther. Vielleicht sähe die Sache anders aus, würde man die Reformation der christlichen Kirche im Allgemeinen von der Figur Luther trennen. Dies wird jedoch weder praktiziert, noch ist es realistisch umsetzbar. Ich persönlich möchte nicht einen Tag feiern, an dem an einen Mann erinnert wird, der wegen seiner judenfeindlichen Äußerungen in der Zeit des Nationalsozialismus als Vorbild angepriesen wurde und auf den man sich zur Rechtfertigung von antisemitischem Verhalten berufen hat. Reformation, Trennung von der katholischen Kirche, hin oder her: Der Reformationstag ist selbst im protestantisch geprägten Norddeutschland unpassend. Und die Alternativen drängen sich gerade zu auf: Warum nicht den 23. Mai, den Tag des Inkrafttreten des Grundgesetzes, als ein echtes Zeichen für Grundrechte, Gleichheit und nicht zuletzt Religionsfreiheit feiern? Kirchliche Feiertage, die Menschen, die nicht christlichen Glaubens sind, ausschließen, haben wir schon genug.

Von Zoe Reitt

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