Von Gurken und Piratinnen

Immer dieses Gendern. Sie können es aber auch wirklich nicht lassen. Egal, wo man hingeht: Im Restaurant, im Supermarkt, in der Drogerie, ja sogar in der Buchhandlung begegnet es einem! Wenn man mich fragt, dann muss endlich Schluss sein mit diesem Genderwahn! Ja, ein richtiger Wahn ist das mittlerweile! Ständig müssen sie uns darauf hinweisen, dass es Männer UND Frauen gibt! Und eigentlich dachte ich, wir seien schon viel emanzipierter. Überall liest man ja immerhin von diesem modernen Feminismus, Gleichstellungszielen, Schweden hat sogar ein geschlechtsneutrales Pronomen eingeführt, wussten Sie das? Natürlich, wir in Deutschland sind mal wieder spät dran, ist ja eigentlich nichts Neues. Aber müssen es wirklich gleich Gurken für Männer und Gurken für Frauen sein? Ich weiß ja nicht.

Ich hoffe, Sie haben nicht mit etwas anderem gerechnet. Leider kann man diese Portion Empörung gleich mit in die nächste Drogerie oder den nächsten Supermarkt nehmen. Und selbst dort, wo man es am wenigsten erwartet, begegnet es einem dann doch, meist still und heimlich, manchmal aber auch mit einem lauten Knall: das Gender-Marketing. Gender-Marketing bedeutet, dass Hersteller gleiche Produkte „typisch weiblich“ bzw. „typisch männlich“ gestalten, um höhere Umsätze zu erzielen. Das kann harmlos anfangen, bei einem Parfum oder Deodorant das eben „typisch männlich“ bzw. „typisch weiblich“ riecht, weitergehen mit coolen Spielzeugautos für toughe Jungs und süßen Plüschpferden für echte Prinzessinnen und enden in einer vollkommen absurden Welt, in der es Gurken und Schokoladenweihnachtsmänner ( aber selbstverständlich WeihnachtsMÄNNER) gibt, die jeweils für Männer in blau und für Frauen in rosa vermarktet werden.

Ist doch nett, wo liegt denn da jetzt das Problem? Könnte man sich fragen. Und gerade die Kinder, die wollen das alles ja auch. Mädchen sind einfach gerne Prinzessinnen und Jungs Piraten. Ganz so einfach ist es aber leider doch nicht, denn unsere Gene sind nicht pink oder blau. Kein Mädchen möchte von Natur aus rosa Kleider tragen und mit Barbiepuppen spielen und kein Junge liebt von Geburt an Autos und Fußball. Das sind die Geschlechterrollen, in die wir unsere Kinder meist ganz unbewusst drängen. Natürlich ist es per se nichts schlechtes Puppen und Fußball, entweder das eine oder das andere oder auch beides zu mögen, schon gar nicht als Kind. Problematisch wird es, wenn wir diese Dinge und die damit verbundenen Spielzeuge, Bücher oder Kleidungsstücke als „für Mädchen“ oder „für Jungs“ labeln. Genau in diesem Moment beginnen wir, Kindern in ihren Möglichkeiten einzuschränken. Bestimmt wären viele Mädchen auch gerne Piratinnen (und zwar keine Piratenbräute, sondern die ganz echten, emanzipierten Piratinnen) und viele Jungs würden auch gerne mal mit Puppen spielen, Prinz oder auch Prinzessin sein. Doch spätestens ab dem Zeitpunkt, ab dem sie lesen können, bekommen sie vermittelt, dass diese Dinge nichts für sie sind, sondern nur etwas für das andere Geschlecht. Natürlich manifestieren sich diese Geschlechterrollen auch für Kinder durch die Medien schon lang bevor sie lesen können, aber spätestens mit dem Lesen setzt das Wissen ein, dass es Dinge gibt, die anscheinend nur für das andere Geschlecht bestimmt sind. Diese bereits in frühester Kindheit erlernten Geschlechterrollen begleiten uns unser ganzes Leben lang. Gar nicht auszumalen wie schlimm das insbesondere für diejenigen sein muss, die sich entweder biologisch oder sozial nicht einem Geschlecht zuordnen wollen oder können.

Vielen Eltern ist diese Problematik bewusst, manche versuchen gar ihre Kinder geschlechtsneutral zu erziehen. An sich eine gute Idee, wenn man sie richtig umsetzt. Geschlechtsneutral heißt nämlich keinesfalls, dass alle Kinder ab jetzt nur noch mit braunen Plüscheulen spielen dürfen und sich zu Fasching als Buchhändler*innen und Optiker*innen verkleiden müssen statt als Feuerwehrmänner/Feuerwehrfrauen und Krankenpfleger*innen. Viel mehr geht es darum, dass es nicht „typisch Mädchen“ ist, mit Puppen zu spielen oder „typisch Junge“ ist, Autos cool zu finden. Eltern sollten ihren Kindern vermitteln, dass jeder und jede mit den Dingen spielen kann, die ihm und ihr gefallen. Leider wird eine solche Erziehung durch Medien wie Kinderfilme und-serien oder den generellen Spielzeugmarkt extrem erschwert. Und solange nicht die Mehrheit der Eltern ihren Kindern keine Geschlechterrollen aufzwingt, ist das ganze ohnehin zum Scheitern verurteilt, da Kinder eben auch maßgeblich durch ihre Freunde beeinflusst werden.

Leicht ist es also schon am Anfang unseres Lebens nicht mit den Geschlechterrollen und dem Gender-Marketing. Ein anderes echtes Problem in diesem Bereich ist aber eigentlich noch viel größer, es ist das schlagende Herz, das Fundament aller Geschlechterklischees und der Grund, weshalb es sich als so ein schwieriges Unterfangen gestaltet, Kinder möglichst von Geschlechterrollen unberührt zu erziehen. Gleichzeitig wird es aber auch als harmlos wahrgenommen, größtenteils sogar gar nicht erkannt, weil es mittlerweile so normal geworden ist. Unternehmen verkaufen uns gleiche Produkte, die aber für Männer und Frauen gelabelt werden. Und dabei spreche ich nicht von absurden Gurken oder Schokoweihnachtsmännern. Es geht um Produkte des Alltags, die es in jeder Drogerie gibt und die jeder zuhause hat: Shampoo, Deodorants, Rasierer, Parfum. Egal welche Farbe diese Produkte haben, wie sie heißen oder wie sie riechen: Sie erfüllen alle denselben Zweck. Blau ist nicht männlich, rosa nicht weiblich, genauso wenig passt der Geruch von Blumen besser zu Frauen als zu Männern. Entweder mag man das eine oder man mag das andere. Das Ganze hat aber rein gar nichts mit dem Geschlecht zu tun, mit dem man geboren wurde, sondern allein mit der sozial konstruierten Vorstellung von binärer Geschlechtlichkeit, nach der sich Frauen doch aber bitte mit einem lilafarbene Rasierer ihre unweiblichen Haare zu entfernen haben und Männer auf keinen Fall nach Blumen duften dürfen, denn das führt nachweislich zu Impotenz (nicht!).

Wir müssen endlich aufhören, das Gefühl zu haben, nach einem bestimmtem Produkt eher greifen zu müssen als nach einem anderen und das allein aufgrund von dessen Farbe, Geruch oder Beschriftung. Ein ausschlaggebender Faktor für einen Kauf könnte zum Beispiel der Preis sein. Und interessanterweise sind es da die als „typisch weiblich“ vermarkteten Produkte, die sich an Frauen richten, die deutlich teurer sind obwohl sie bis auf Farbe, Geruch, etc, identisch mit ihren „typisch männlichen“ Pendants sind. Diesen Mehrpreis, den Käufer*innen von „typisch weiblichen“ Produkten hinnehmen müssen und der zum Teil einen Aufschlag von mehr als 100 Prozent darstellt, nennt man metaphorisch „pink tax“. Von einer Tax, also einer Steuer, kann aber wirklich nur metaphorisch die Rede sein, denn der Aufpreis fließt allein in die Taschen der Unternehmen, kommt aber keinesfalls der Allgemeinheit zugute. Wirtschaftlich möglich ist diese „pink tax“ aber nur, weil viele Kund*innen (leider vermutlich hauptsächlich die Kundinnen) anscheinend bereit sind, mehr für die „typisch weiblichen“ Attribute ihrer Produkte zu zahlen.

Und angesichts all dieser Dinge ist es dann auch gar nicht mehr verwunderlich, wenn man plötzlich Gurken für Männer und Gurken für Frauen in den Supermarktregalen sieht. Oder Lebensmittel in größeren Portionen für Männer und in kleineren Portionen für Frauen verkauft werden. Und auch wenn ich eigentlich dachte, über T-Shirts mit der Aufschrift „Zicke“ seien wir mittlerweile hinaus, gibt es anscheinend immer noch einen Markt für Schnuller, die wahlweise die Aufschrift „Drama Queen“ oder „Bad Boy“ tragen. Natürlich in rosa-rot und schwarz-blau. Am Ende muss jeder und jede für sich selbst entscheiden, welche Produkte ihm oder ihr gefallen und ob er oder sie tatsächlich deutlich mehr Geld für ein identisches Produkt ausgeben möchte. Aber genauso wie einige Eltern sich dafür entscheiden, ihre Kinder nicht taufen zu lassen, damit sie sich später einmal selbst für oder gegen ihre Religion entscheiden können, sollten wir sie doch auch bitte soweit wie möglich aus unseren Geschlechterklischees raushalten. Für eine Welt ohne gegenderte Gurken.

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