Eine Horde schwarzer Gestalten flatterte vor den Fenstern entlang und klopften daran herum. Die Gestalten schienen ein Loch zu suchen, durch das sie hineingelangen konnten. Anscheinend fanden sie keins, denn plötzlich hörte man das laute Klirren der Fensterscheibe. Noch während das Glas in tausend Teile zersprang, füllte sich der Saal mit Nebel. Ein eisiger Windstoß fegte durch den Raum und blies die Kerzen aus. Nun war es dunkel. Stockdunkel! Ich wedelte mit den Armen und hoffte, dass ich Geistoria treffen würde. Irgendwie war mir mulmig zumute. Doch als wäre das alles noch nicht genug, ertönte jetzt auch noch lautes Geraschel und auf einmal klang es so, als würde jemand ein Seil durchsägen wollen. Ich sah mich um, sah aber natürlich nichts. Als nächstes hörte man ein Knacken, dann packte mich etwas am Arm und zog mich weg. Schließlich vernahm ich wieder lautes Flattern und im nächsten Moment knallte etwas ziemlich Schweres mit einem dumpfen Knall auf den Boden.
Ein paar Geister zündeten die Kerzen wieder an und ich sah, was geschehen war. Der Ballsaal sah aus wie ein Schlachtfeld. Ein Fenster war zerschlagen und die Scherben lagen auf dem Boden verstreut. Der Kronleuchter, der von der Decke gebaumelt hatte, lag nun ebenfalls auf dem Boden und in den Wandteppichen sah ich Brandlöcher. „Gut, dass du noch lebst“, sagte Geistoritz, der auf mich zukam. „Dank mir“, erklärte Geistoria, obwohl ich es nicht verstand, und blickte traurig auf den Leuchter. „Unter diesem Leuchter wurden alle Geister der Weltgeschichte getauft“, teilte sie mir betrübt mit. „Wer war das?“, fragte ich nur einen Moment später. „Das…“, Geistoria seufzte. “ Das weiß ich nicht.“ Neugierig kamen auch die anderen Geister näher und inspizierten den Kronleuchter. Die betrübte Stimmung durchbrach und alle Geister riefen wilde Vermutungen durcheinander. „Das war der Teufel!“, rief einer. Und ein anderen schrie mit hoher Stimme: „Die Welt wird untergehen!“ Während einige Geister begannen, den Saal aufzuräumen, diskutierten die meisten anderen. „Der Teufel?!“, dachte ich. „Lieber nicht!“ Ich hörte noch kurz zu und ging dann zu den Geistern, die aufräumten. Ich schnappte mir einen verbogenen Besen, der an der Wand lehnte, und kehrte ein paar Scherben zusammen. Einige Scherben lagen dicht am Kronleuchter und ich musste mich bücken, um sie hervor zu holen. Dabei fiel mein Blick auf ein schwarzes Zeichen, das in den Leuchter graviert war. Es stellte ein Dreieck mit Tropfen dar. „Was hast du da?“, ich hatte gar nicht gemerkt, dass Geistoria hinter mir stand. „Nur so ein Zeichen“, meinte ich. „Ist das irgendein besonderes Geisterzeichen?“ „Ich…“, Geistoria sah verblüfft auf das Zeichen. „Geisto?! Kommst du mal“, rief sie. Der erste Vorsitzende des Vereins Gruselschreck schwebte gemächlich zu uns herüber und sah Geistoria erwartungsvoll an. „Was ist los, Geistoria?“, wollte er wissen und sah uns vorwurfsvoll an. „Ich habe gerade wirklich Wichtigeres zu tun!“ „Wenn du wüsstest, was ich wüsste, dann…“, sagte sie trotzig. „…würdest du schon verstehen, was ich meine!“ Sie stemmte die Hände in die Hüften. Mittlerweile hatte sich eine große Traube Geister um uns herum versammelt und Geistoria zeigte auf das mysteriösen Zeichen. Ein Raunen ging durch die Menge und die Geister begannen sich aufgeregt darüber zu unterhalten. Ich schien der einzige zu sein, der keine Ahnung hatte, was das für ein Zeichen war. „Sie wollten dich holen“, flüsterte Geistoria mir da zu. „Wer wollte mich holen und warum?“, fragte ich. „Es waren die Vampire“, begann Geistoria zu berichten. “ Sie sind ganz miese blutrünstige Monster und wollen alles und jeden mit Blut. Also auch dich. Vor langer Zeit gab es deshalb einen großen Streit zwischen Geistern und Vampiren. Die Vampire waren mächtiger, aber die Geister waren schlauer und sie hatten Unterstützung von den Hexen. Diese belegten die Vampire mit einem Fluch. Die Vampire mussten sieben Jahre, sieben Monate, sieben Wochen, sieben Tage, sieben Stunden, sieben Minuten und sieben Sekunden in ihrem Land bleiben. Der Fluch hatte aber auch eine zweite Wirkung, die sich erst später zeigte. Auf alles, was die Vampire berührten, zeichnete sich dieses Symbol ab. Damit wollten die Hexen die Vampire davon abhalten, weitere fiese Angriffe zu starten. Doch natürlich brauchen die Vampire Blut. Allerdings würde Blutorangeneis oder Tomatensaft es auch tun. Doch natürlich verletzt das den Stolz der Vampire“, endete Geistoria. „Oh“, machte ich, weil nichts anderes aus meinem Mund kam. „Wir müssen die Vampire zur Rede stellen“, beschloss Geisto. „Und was stellst du dir darunter vor?“, rief eine alte Geisterdame. „Ich…irgendetwas müssen wir doch tun. Also, wer meldet sich freiwillig?“, erkundigte sich Geisto. Sekundenlange Stille. „Ich gehe“, sagte Geistoria. „Moment Schwesterherz!“, rief Geitoritz verblüfft. „Wenn du gehst, komme ich auch mit!“ „Da…dann komme ich auch mit“, rief ich selbstbewusst, zumindest versuchte ich selbstbewusst zu klingen. „Ich bin mir nicht sicher ob das so eine gute…ach egal. Ihr schafft das schon“, sagte Geisto. So verließ ich gemeinsam mit Geistoria und Geistoritz den Raum und machte mich auf den Weg zu unserer Mission. Ich war mir nicht sicher, ob ich mich richtig endschieden hatte. Was würde mich erwarten…?
Fortsetzung folgt!